In jedem meiner Weinkurse sorgen die Begriffe Karaffieren und Dekantieren für helle Aufregung. Viele Weingeniesserinnen und Weingeniesser kennen den einen oder anderen Begriff – wissen aber oftmals nicht genau, wie sich diese unterscheiden. Denn am Schluss landet der Wein bei beiden Methoden in irgendeinem übergrossen Glasgefäss. Ich nutze gleich die Gunst der Stunde und erläutere Ihnen den Unterschied – so kompliziert ist es eigentlich gar nicht.
Im Grundsatz unterscheiden wir zwischen Jungweinen und Weinen mit ein paar Jährchen auf dem Buckel. Um es bildlich auszudrücken: Die eine Kategorie sehnt sich nach einer frischen Brise, während die andere lieber die Spuren der Zeit verwischen möchte. Doch der Reihe nach.
Vielleicht kennen Sie das: Die Flasche wird geöffnet. Die Aromen sind zwar irgendwie da, wirken aber zurückhaltend, fast schon verschlossen. Hier hilft in aller Regel der Kontakt mit einer ordentlichen Portion Sauerstoff. Im Fachjargon nennt man diesen Vorgang Karaffieren. Der Inhalt der Flasche wird mit Schwung in eine bauchige Karaffe gegossen, um den Wein grosszügig zu belüften. Das sorgt dafür, dass sich die Aromen schneller entfalten und sogar leichte Störfaktoren – zum Beispiel ein Hauch von Schwefel oder reduktivem Ausbau – verschwinden. Vor allem junge Tanninbomben werden gerne karaffiert, doch auch Weissweine mit Struktur profitieren von dieser Frischluft-Kur.
Nun zu den etwas älteren Kalibern. Hier geht es nicht um die Zufuhr von Sauerstoff, sondern um das Entfernen von möglichen Ablagerungen. Ältere Weine, die über Jahre in der Flasche gereift sind, bilden oft ein natürliches, aber störendes Depot am Flaschenboden. Dieser Bodensatz – oder auch Sediment genannt – soll durch das Dekantieren schön in der Flasche bleiben. Der Wein wird also langsam und vorsichtig in die Karaffe gegossen. Am besten hält man die Flasche währenddessen gegen eine Lichtquelle, um das Depot im Blick zu behalten. Sicher ist sicher. Und eben schön sachte – denn gerade ältere Weine sind überaus empfindlich und mögen die Sauerstoffdusche nicht wirklich.
Die Faustregel lautet also: Junge Weine karaffieren, alte Weine dekantieren. Ich empfehle jedoch, vor irgendwelchen Interventionen den Wein zuerst zu probieren – und dann zu entscheiden. Denn nicht jeder Wein braucht den CO₂-Boost. Manche brauchen einfach nur ein gutes Universalglas und eine nette Gesellschaft.
Dieser Journalbeitrag ist in gekürzter Form in unserer Weinkolumne in der Coop Zeitung erschienen




